Von Beate Uhlig und Dirk Eickenhorst/ SAMT e. V. Jährlich werden rund 45 Millionen männliche Küken in Deutschland kurz nach dem Schlüpfen getötet. Da sie keine Eier legen und nicht übermäßig Fleisch ansetzen, sind sie für die Industrie wertlos. Gegen dieses Vorgehen gibt es seit langem Widerstand. Grüne und Linke hatten im Bundestag einen Gesetzes-Antrag gegen das sogenannte „Kükenschreddern“ gestellt. Doch mit dieser Praxis wird es wohl erst einmal weitergehen, denn die große Koalition hat gegen das Verbot gestimmt.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) setzt stattdessen auf die Entwicklung eines Verfahrens zur Geschlechtserkennung vor dem Ausbrüten.
Die neue Technik „Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie“ erkennt bereits im drei Tage bebrüteten Ei, welches Geschlecht das Küken hat. Allerdings wird das Ei dafür maschinell geöffnet und Sekunden später wieder zugeklebt. Die bereits lebenden männlichen Embryonen, die laut Entwickler der Technik noch keine Schmerzen empfinden können, werden dann mitsamt Ei weggeworfen.
Voraussichtlich könnte damit ab 2017 das Töten der geschlüpften, männlichen Eintagsküken aufhören. Entsorgt wird „nur noch“ das lebende Embryo.
Die Nordrhein-westfälische Regierung ist mit einem Erlass gegen den „Kükenmord“ vor Gericht gescheitert, mit dem Hinweis, dass entsprechende Bestimmungen im Tierschutz fehlen. Die Kreise in Nordrhein-Westfalen hatten die seit Jahrzehnten allgemein übliche Praxis des Kükenmordes auf Weisung des zuständigen nordrhein-westfälischen Ministeriums untersagt. Der Kreis Gütersloh und der Kreis Paderborn hatten jeweils gegenüber einem Betreiber von Brütereien in ihrem Kreisgebiet entsprechende Untersagungsverfügungen erlassen. Das Verwaltungsgericht Minden gab den dann erfolgten Klagen der Hühnermastbetreiber statt (vgl. Pressemitteilung des VG Minden vom 06.02.2015).
Die gegen diese Urteile eingelegten Berufungen der beiden Kreise hat das OVG am 20. Mai 2016 zurückgewiesen:
Zitat Justiz Online (www.ovg.nrw.de): „Der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass das Töten männlicher Eintagsküken aus Legehennenrassen in Brütereien nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt.“
Ein möglicher, anderer Weg aus der Kükenvernichtung wären sogenannte Zweinutzungshühner: Rassen, deren Hennen ausreichend viel Eier legen und bei denen beide Geschlechter genügend Fleisch ansetzen. Der Ansatz gibt nicht nur den männlichen Legehennenküken eine Überlebenschance, sondern wirkt auch der tierschädlichen Zucht auf Hochleistung entgegen. Leider ist mit einer flächendeckenden Zucht dieser sogenannten „Dualen Hühner“ in naher Zukunft nicht zu rechnen. Die Hühnermastindustrie wird Einwände dagegen haben, denn:
Zitat Handelsblatt: „Doch kein Kompromiss ohne Preis: Der Cuxhavener Zuchtbetrieb Lohmann beispielsweise gibt für seine Züchtung „Lohmann Dual“ gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erhebliche Einbußen in der Legeleistung sowie in der Mastdauer an. So müssten die dualen Hühner zehn statt sieben Wochen gemästet werden, und die Hennen legten rund 20 Prozent weniger Eier.“
Infos zum aktuellen NRW-Gerichtsurteil:
http://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/19_160520/index.php
Weitere Informationen zum Thema: